Osteopathie
Osteopathie gestern und heute
1892 begründete der amerikanische Arzt Dr. A. T. Still die Osteopathie. Der Begriff stammt von den beiden griechischen Wörtern Osteon = der Knochen und Pathos = die Krankheit. Dr. Still fand heraus, dass funktionelle Störungen der Wirbelsäule Gesundheitsstörungen im ganzen Körper auslösen können. Dr. Still entwickelte schließlich ein Medizinsystem, mit dem Funktionsstörungen im gesamten Körper behandelt werden können. Im selben Jahr gründete Still das erste osteopathische College. In den USA ist seit ca. 1960 das Studium der Osteopathie eine vollständige akademische Ausbildung und dem Medizinstudium gleichgestellt. Derzeit gibt es in den USA 29 osteopathische Universitäten mit staatlich anerkanntem Abschluss. In Europa hat sich die Osteopathie erst seit etwa 1990 verbreitet. Die DGOM (Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin) führt seit 1997 eine 4-jährige berufsbegleitende Fortbildung Osteopathische Medizin nach dem amerikanischen Standard durch. Aufbauend auf dem Medizinstudium und der Facharztweiterbildung lernen die Ärzte das gesamte Spektrum der Osteopathie in einem strukturierten Curriculum. Der Abschluss ist D.O.M. (Diplom für Osteopathische Medizin). In 2017 wurde die HGWR (Hochschule für gesundheitsorientierte Wissenschaften Rhein Neckar) gegründet, die die Osteopathie als Hochschulstudium anbietet.
Definition: Osteopathische Medizin
Osteopathische Medizin beinhaltet eine umfassende manuelle, osteopathische Diagnostik und Therapie von Fehlfunktionen im Bewegungssystem, den inneren Organen und im Nervensystem. Im Zentrum der Therapie steht nicht die Behandlung einer Krankheit, sondern die Behandlung einer Funktionsstörung, der Somatischen Dysfunktion im Körper. Das Ziel ist, die Funktionsstörung aufzuheben und so die Selbstheilungskräfte des Patienten zu stärken.
Wirksamkeit
Aus rechtlichen Gründen wird darauf hingewiesen, dass in der Benennung der beispielhaft aufgeführten Anwendungsgebiete selbstverständlich kein Heilversprechen oder die Garantie einer Linderung oder Verbesserung aufgeführter Krankheitszustände liegen kann. Für den Bereich der Wirbelsäule, z.B. beim chronischen Schmerzsyndrom der Wirbelsäule geht die Bundesärztekammer von einer Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen aus (Deutsches Ärzteblatt 2009, Seite 2325 ff.). Für die Wirksamkeit der Osteopathischen Medizin gibt es in der anerkannten internationalen wissenschaftlichen Literatur eine Fülle von hervorragenden Veröffentlichungen aus den Reihen der amerikanischen D.O. (Doctors of Osteopathic Medicine). Viele D.O. arbeiten an renommierten Universitätskliniken gemeinsam mit ihren medizinischen Kollegen (M.D.). Aufgrund der noch relativ neuen Entwicklung der Osteopathischen Medizin in Deutschland finden sich erst wenige deutschsprachige Publikationen. Inzwischen gibt es aber drei deutsche Zeitschriften für Osteopathie mit zunehmend mehr Veröffentlichungen. In den letzten 5 Jahren sind auch ca. 30 verschiedene Osteopathische Lehrbücher in deutscher Sprache erschienen, darunter das bekannte Standardlehrbuch „Osteopathische Medizin“ von Ph. Greenmann von der Michigan State University oder das „Lehrbuch Osteopathische Medizin“ von Johannes Mayer von der Hochschule für gesundheitsorientierte Wissenschaften Rhein Neckar. Die OIA (Osteopathic International Alliance) hat in Ihrem großen Osteopathie Bericht, der im Januar 2013 in Kooperation mit der WHO veröffentlicht wurde ca. 100 Studien zur Wirksamkeit der Osteopathie aufgelistet (www.oialliance.org)
Kosten
In Deutschland ist die Osteopathische Medizin keine Kassenleistung. Osteopathische Behandlungen müssen daher nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) wie bei einem Privatpatienten abgerechnet werden. Dabei ergeben sich je nach den gewählten Behandlungsmethoden und dem Zeitaufwand Kosten zwischen ca. 90 und 120 EUR pro Sitzung. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten teilweise osteopathische Leistungen. Erkundigen Sie sich bitte bei Ihrer Krankenkasse über den aktuellen Erstattungsmodus. Voraussetzung ist, dass der Osteopathische Arzt oder Osteopath eine von den Krankenkassen anerkannte Fortbildung nachweist. Dies trifft für mich (Dr. Achim Wunsch) zu. Bei Privatpatienten bezahlen die privaten Krankenversicherer grundsätzlich osteopathische Behandlungen entsprechend der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte).
Säuglinge
Bei Säuglingen kann es in der Folge einer komplizierten Geburt zu vielfältigen funktionellen Störungen kommen. Nicht jede Geburt ist für jeden Säugling ein Trauma und viele Säuglinge überstehen auch komplizierte Geburten ohne funktionelle Störungen. Wichtig ist dabei immer, zusammen mit der Hebamme und dem Kinderarzt die weitere Entwicklung des Säuglings zu beobachten und ggf. dann einen osteopathischen Arzt zu Rate zu ziehen. Funktionsstörungen die nach 6 Wochen noch vorhanden sind, bleiben ohne eine osteopathische Behandlung häufig über Jahre bestehen und können nach Ansicht der osteopathischen Medizin die motorische und seelische Entwicklung des Kindes stören. Säuglinge, die früh deutliche Störungen aufweisen, sollten auch früh osteopathisch untersucht und behandelt werden. Für eine komplizierte Geburt des Säuglings gibt es folgende Hinweise: Eine sehr kurze oder sehr lange Geburt, der Einsatz einer Saugglocke oder Zange, eine Sectio wegen Geburtsstillstand, ein Schlüsselbeinbruch während der Geburt oder eine Beckenendlage bzw. Schräglage des Kindes. Für daraus resultierende funktionelle Störungen des Säuglings sprechen aus osteopathischer Sicht folgende Symptome: Eine einseitige Kopfhaltung des Säuglings nach rechts oder nach links, die Abflachung des Hinterkopfes auf einer Seite mit einer Schädelasymmetrie, ein starkes Überstrecken des Kopfes nach hinten oder Krümmung des Körpers zur Seite, ein Schiefhals, eine anhaltende Trinkschwäche in Verbindung mit den oben genannten Störungen, Bauchschmerzen, Schreikinder, „Drei-Monats-Koliken“ oder eine große Unruhe des Säuglings.
Was ist das KISS-Syndrom?
Das KISS-Syndrom ist die Abkürzung für Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störungen. Dabei wird impliziert, dass praktisch alle Störungen beim Säugling und Kleinkind von Störungen des Atlas, also des ersten Halswirbels, ausgehen. Aus osteopathischer Sicht stellt der Atlas nur eine von vielen Ursachen für funktionelle Störungen bei Säuglingen dar.
Tonus-Asymmetrie-Syndrom
Dies ist die internationale Bezeichnung für funktionelle Störungen bei Säuglingen, die sich in einer unterschiedlichen Spannung der Gewebe im Säugling ausdrücken. Neben den oben genannten Störungen des Atlas finden wir bei Säuglingen sehr häufig Bewegungsstörungen im Becken, Thorax, Bauchraum und vor allem im Schädelbereich. Der Blickwinkel der Osteopathischen Medizin ist auf den ganzen Säugling mit seiner individuellen Vielfalt an möglichen funktionellen Störmustern gerichtet. Bei der Therapie von Säuglingen ist daher eine präzise funktionelle Diagnose von besonderer Bedeutung. Die Therapie ergibt sich dann automatisch aus der Diagnose.
Therapiedauer bei Säuglingen
Säuglinge müssen in der Regel 2-3x im Abstand von einigen Wochen behandelt werden. Im Allgemeinen beginnt die erste Behandlung 2-6 Wochen nach der Geburt. In Sonderfällen, z.B. bei schweren Deformierungen des Kopfes sind mehre Sitzungen notwendig.
Schwangerschaft, Wochenbett, Stillzeit
Osteopathische Methoden sind in der Schwangerschaft, im Wochenbett und in der Stillzeit bis unmittelbar vor dem Geburtstermin möglich, da ausschließlich weiche, balancierende Techniken ausgeführt werden. Typische Beschwerden sind untere Rückenschmerzen, Beckenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen, Nacken- und Kopfschmerzen. Nach der Entbindung gibt es verschiedene Rückbildungsvorgänge im Körper der Mutter. Besonders betroffen sind das Becken, der gesamte Bauchraum, aber auch die Wirbelsäule. In dieser Phase ist ein Verzicht auf Medikamente oft gewünscht und das Einrenken weniger vorteilhaft als die Anwendung weicher und balancierender osteopathischer Techniken. In der Regel sind 1-3 Behandlungen ausreichend.
Kleinkinder, Kinder
Bei Kleinkindern und Kindern werden oft funktionelle Störungen behandelt, die bei folgenden Erkrankungen oder Beschwerden vorkommen: Chronische Kopfschmerzen, Migräne, Koordinationsstörungen in der Grobmotorik oder Feinmotorik, Gangstörungen, Verkrümmungen der Wirbelsäule oder des Brustkorbes, motorische Entwicklungsverzögerungen, verzögerte Sprachentwicklung, sogenannte hyperaktive Kinder mit ADS oder ADHS, Bauchschmerzen ungeklärter Ursache oder ungeklärte Schmerzen an den Beinen oder Armen.
Erwachsene
Grundsätzlich können in der Osteopathie akute und chronische Beschwerden behandelt werden. Diese sind chronische Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, atypische Gesichtsschmerzen, Kiefergelenkschmerzen, chronische Nackenschmerzen, ungeklärte Oberbauchschmerzen oder Unterbauchschmerzen, Beckenschmerzen oder Ischiasschmerzen. Weiterhin Schmerzen und Bewegungseinschränkungen an der Wirbelsäule, dem Brustkorb, Bauch, den Armen oder Beinen. In der Regel sind bei diesen Krankheitsbildern am Anfang 3 Behandlungen im Abstand von 3-4 Wochen notwendig, dann werden die Zeitabstände sukzessive verlängert bis die es dem Patienten gut geht. Das Ziel ist immer eine Stabilisierung des Patienten auf möglichst hohem Niveau.
weitere Informationen unter www.dgom.info